Band 1 der Trilogie
Philipp Alexander v. Schwanenburg (1899–1992) spielte viele Rollen. Er war letzter gekrönter deutscher Landesherr vor 1918, Schwuler Playboy im Berlin der 1920er Jahre, Kampfpilot der Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg, Diplomat im Auftrag der englischen Krone, Freund von Spionen und Nonkonformisten, Unterhändler bei Entführungen und schließlich hoch dekoriertes Mitglied des Oberhauses. Seine Autobiographie liest sich wie ein Kaleidoskop des 20. Jahrhunderts.
— Sie sehen: ich war fast nur mit lebensuntüchtigen Volltrotteln verwandt. Der ganze Stammbaum ein einziger Kreis. Wie hätte aus mir ein ordentlicher deutscher Landesherr werden können? Das war schon genetisch unmöglich. Ich musste mich quasi in einen strahlenden Schmetterling entwickeln, ein einzigartiges, aber ziemlich nutzloses Geschöpf, schön anzusehen und so sinnvoll wie ein Sonnenschirm auf der Rückseite des Mondes.
Autobiographische Aufzeichnungen des Herzogs Philipp Alexander von Schwanenburg-Seiringshausen (1899–1992).
Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Florian G. Mildenberger.
Es handelt sich um eine fiktive Geschichte. Herzog Philipp Alexander und das Herzogtum Schwanenburg-Seiringshausen hat es nie gegeben. Die fiktive Autobiografie ist eingebettet in eine sarkastisch-pointiert geschriebene und geschichtlich passende Rahmenhandlung. Mildenberger erzählt in seinem Roman sprachgewandt und manchmal etwas schnodderig aus der Ich-Perspektive vom paradiesvogelartigen Leben eines der letzten Vertreter der herrschenden Adelsklasse in Deutschland.
R. Tesenbrock –
Der vorliegende erste Band von „Der letzte Schwan“ ist die höchst vergnügliche Lebensbeichte von Philipp Alexander, dem letzten Herzog von Schwanenburg-Seiringshausen. In diesem typischen, wenn auch fiktiven Thüringischen Kleinstaat wächst der 1899 geborene Philipp in einer lebhaften Familie auf:
„Ich sah auch, wie meine Mutter sich benahm, wenn sie gerade kein Kokain zur Hand hatte oder welches wenige Minuten vorher genommen hatte. Entweder Furie oder eine torkelnde bösartige Hexe, die Tierlaute von sich gab. Mein Vater erreichte diese Betriebstemperatur erst nach drei oder vier gut gefüllten Weingläsern Scotch, stand der Gattin dann aber in nichts nach.“
Die weit verzweigte Verwandtschaft von Vatersseite bringt ihn früh in Kontakt mit führenden Häuptern des europäischen Hochadels:
„Die englische Königin und Kaiserin von Indien zückte ihr brillantenbesetztes Zigarettenetui und bot mir eine Zigarette an. Ich musste gestehen, noch nie geraucht zu haben, ich sei ja erst 13. Sie: Alt genug!“, und gab mir Feuer. Der zufällig vorbeistromernde russische Zar ließ mich wissen, man müsse pro Tag mindestens 10 Zigaretten rauchen.“
Doch die alte Welt des Deutschen Reichs, das „von einer Bande verklemmter Schwuchteln regiert“ wird, muss bald untergehen. Philipp Alexander, der sehr früh nicht standesgemäße erotische Erfahrungen sammelt, wird vor Kriegsende noch kurz Herzog, weil der alte bei einer Selbstverstümmelung versehentlich ums Leben gekommen war. Nachdem er den ordnungsgemäßen Ablauf der deutschen November-Revolution in Schwanenburg-Seiringshausen mithilfe der tumben örtlichen Sozis durcheinander gebracht hat, verlässt er die Thüringer Provinz und zieht in die Hauptstadt.
Er und sein jüngerer Bruder Kuno tauchen tief in den Sündenpfuhl Berlin ein, amüsieren sich mit berühmten Künstlern, Playboys und hinreißenden Geschöpfen ohne klare Geschlechtszugehörigkeit. Nicht erst an dieser Stelle des ersten Bandes der Trilogie sind die Schilderungen aufregend delikat. Eindeutige Zweideutigkeiten, brüllend komische Dialoge, die immer wieder überraschend durchbrochene, feine Erzählweise und die grundsympathische Haltung des Protagonisten machen Lust auf die hoffentlich bald erscheinende Fortsetzung.
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L. Neumann –
So absurd und übertrieben, dass es wahr sein könnte – die Erzählungen des Protagonisten sind nichts für verklemmte Heteros und die schnodderige Art polarisiert im besten Sinne. Eine überfällige Abrechnung mit allem und jedem, der Protagonist teilt nach allen Seiten aus und macht sich unbeliebt bei vielen seiner Mitmenschen – ein schöner Unsympath, der mit jedem bissigen Kommentar tiefer in die Herzen der Leser vordringt.
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